Auf leisen Sohlen sind die Mitarbeiter der Apotheke Zu Maria Trost in Kirchberg am Wagram unterwegs. Genauer gesagt auf ihren Fußsohlen: Der Dresscode am Arbeitsplatz lautet barfuß, zumindest im Sommer, und das weiß jeder in Kirchberg. „Angefangen hat damit eine Mitarbeiterin, die sehr naturverbunden ist. Die Kollegenschaft hat zunächst schräg geschaut, aber nach einer Zeit haben wir alle mitgemacht“, sagt Apothekenchef Wilfried Becker. Selbst er wandelt ohne Schuhe über den Eichenboden der Apotheke, die bereits seit 190 Jahren am Marktplatz in Kirchberg besteht. Über 100 Jahre davon im Besitz der Familie Becker.
Telefonjoker bei kniffligen Fragen
In nunmehr vierter Generation führt Wilfried – jüngstes von vier Kindern, drei davon landeten in der Pharmazie – das Familienunternehmen. Die Übernahme von Vater Mag. pharm. Ernst Becker verlief reibungslos, der Seniorchef hat sich mittlerweile zwar aus dem Tagesgeschäft zurückgezogen, hilft seinem Sohn aber weiterhin: „Bei heiklen Fragen rufe ich ihn als meinen Telefonjoker an. Außerdem übernimmt er immer noch Nachtdienste“, sagt Becker. Durch diese väterliche Entlastung ist es dem 38-Jährigen auch möglich, einem ausgeprägten Vereinsleben nachzugehen. Theater, Fußball, Tennis – Becker ist im Ort gut vernetzt, kennt 95 Prozent der Kundschaft beim Namen. „Man trifft die Leute im Verein, beim Heurigen, dadurch wird man mit der Gemeinde sehr verbunden und kommt mit vielen Menschen oft in Kontakt. Das mache ich sehr gern.“
Als Fluch und Segen zugleich bezeichnet er die Nähe zum Kunden und Beruf, denn die Familie Becker wohnt im Obergeschoß des Apothekengebäudes. „Die Leute klingeln dann auch an, wenn wir keine Bereitschaft haben. Aber das hat man mit dem Beruf mitgekauft“, so Becker, der seine Jobwahl trotzdem nicht bereut. Für sein Pharmaziestudium machte er es aber zur Bedingung, den Familienbetrieb in Kirchberg weiterführen zu können. „Ich bin gern zu Hause, mir gefällt das Regionale.“
Honig aus dem Hausgarten
Viel regionaler als der Honig, der in der Apotheke Zu Maria Trost verkauft wird, geht es nicht mehr: Im Hinterhof des Hauses stehen Bienenstöcke, die von Beckers Onkel betreut werden. Der Honig besticht zwar nicht mit therapeutischen Eigenschaften, aber mit hoher Qualität – schon mehrere Auszeichnungen hat der Imker dafür eingestreift. „Wenn einmal Zeit ist, möchte ich das auch von ihm lernen“, sagt Becker. Bis dahin ist er aber ausreichend beschäftigt. Etwa mit dem Kindersommer, einer Aktion der lokalen Wirtschaftstreibenden, bei der die Kleinen im Ort unterhalten werden und dabei etwas lernen. In der Apotheke durften sie heuer unter Beckers Anleitung Tees mischen, Salben rühren und Badebomben basteln. „Wir werden regelrecht überrannt, nächstes Jahr werden wir wohl noch mehr solche Termine machen. Das ist mittlerweile ein Klassiker“, so der Apotheker.
Von der pharmazeutischen Klassik abweichend sind hingegen Angebote wie das Kinesio-Taping, das Beckers Mitarbeiterin Mag. pharm. Betina Brunner den Kunden näherbringt. Außergewöhnlich auch die Plastiksackerl-Politik Beckers: Kunden, die mit der eigenen Einkaufstasche kommen, werden mittels Stempelkartensystem mit Goodies wie Tees und Handcremen belohnt. „Das hat eigentlich einen didaktischen Hintergrund, wird aber extrem gut angenommen. Wahnsinn, was der Sammeltrieb auslösen kann“, sagt Becker, der sich noch über etwas anderes freuen kann: Im November erwarten er und seine Lebensgefährtin Nachwuchs. Die fünfte Generation der Beckers in der Apotheke Zu Maria Trost ist also gesichert.
© Text: Josef Puschitz; Fotos: Reinhard Lang