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Freund oder Feind

Gut und böse. Das Virus SARS-CoV-2 ist Verursacher der Corona-Pandemie. Dabei sind Viren nicht zwangsläufig Krankheitsverursacher. Sie können sogar Leben retten.

Sie dringen in unseren Körper ein, kapern Wirtszellen, in denen sie sich vermehren, und programmieren deren Zellstoffwechsel klammheimlich um, bis sich die ersten Krankheitssymptome bemerkbar machen: vom harmlosen Schnupfen bis hin zu lebensbedrohlichen Krankheiten. Viren haben nicht erst seit der Corona-Pandemie einen schlechten Ruf. Zu Unrecht, denn sie sind nicht nur Krankheitserreger, sondern essenzielle Bausteine des Lebens.

Motor der Evolution. 

Als 2001 erstmals das menschliche Genom entschlüsselt wurde, machte die Wissenschaft eine erstaunliche Entdeckung: Unser Erbgut besteht zu über 50 Prozent aus Viren und virusähnlichen Elementen. Krank macht uns das nicht, im Gegenteil: Verharrt ein Virus inaktiv in einer Wirtszelle, vermehrt es sich nur durch deren natürliche Zellteilung. Dabei wird die Viren-DNA in die Zelle eingebaut und so von Generation zu Generation weitervererbt. „Dieser Prozess der Endogenisierung ist der Motor der Evolution; sie stärkt unser Immunsystem“, sagt die renommierte deutsche Virologin Karin Mölling. Denn haben endogene Viren eine Zelle infiziert, verteidigen sie diese hartnäckig gegen andere Erreger. Das schützt nicht nur vor anderen Viren, sondern auch vor Bakterien und körperfremden Zellen. Mitunter sollen aber gerade diese überleben, etwa bei einer Schwangerschaft. Viren hebeln dann das Immunsystem aus und bewirken eine Immuntoleranz gegenüber dem Embryo, so dass dieser weiterwachsen kann. Zudem kommen sie mittlerweile sogar als Heilmittel zum Einsatz, etwa in der Krebsforschung. Die Virotherapie nützt die Fähigkeit der Viren, Körperzellen zu entern und umzuprogrammieren. Sie werden gezielt gegen Tumorzellen eingesetzt, vermehren sich in ihnen und zerstören sie schließlich. Virotherapeutika erzielen bereits vielversprechende Erfolge gegen schwarzen Hautkrebs. Klinische Studien zur Wirkung auf andere Krebsarten laufen bereits.

 Wussten Sie, dass…

…es rund 32.000 Virenarten gibt, die in Säugetieren schlummern und auf den Menschen übertragen werden können?

…der auffälligste Unterschied zwischen Viren und Bakterien die Größe ist? Viren messen zwischen 10 und 350 Nanometer und sind nur noch unter einem Elektronenmikroskop sichtbar, während Bakterien eine Größe zwischen 0,1 bis 700 Mikrometer aufweisen und man sie bereits unter einem Lichtteleskop erkennen kann.

…Forscher nach wie vor diskutieren, ob Viren zu den Lebewesen zählen oder nicht? Feststeht, dass sie zur Fortpflanzung einen Wirt benötigen und keinen Stoffwechsel haben – beides eigentlich Voraussetzung für Lebewesen.

…15 bis 20 Rhinovirentypen jedes Jahr neu auftreten? Darum gelang es bislang auch nicht, eine Impfung gegen Schnupfen zu entwickeln.

…kleine Viren gerade einmal 4 Gene besitzen, größere mehrere hundert?

© Text: Ulrike Moser, Bild: gettyimages.at /LinLina