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(Un-)heilbringender Mohnsaft

Großes Suchtpotenzial. In vergangenen Jahrhunderten war „Laudanum“ als Schmerz- und Heilmittel für diverse Beschwerden sehr beliebt. Die negativen Folgen wurden aber lange Zeit unterschätzt. 

Text: Silke Ruprechtsberger

Als der Arzt und Naturforscher Theophrastus Bombastus von Hohenheim (1493–1541), besser bekannt unter dem Namen „Paracelsus“, aus neun Teilen Wein und einem Teil Opium sein „Laudanum“ zusammenmischte, glaubte er, ein Allheilmittel gefunden zu haben. Kein Wunder, dass er es großspurig „Stein der Unsterblichkeit“ nannte. 

Freilich wirkte die Tinktur alles andere als lebensverlängernd – dafür stillte es Schmerzen und wirkte beruhigend. Dazu war Laudanum preiswert und vielerorts neben den Apotheken auch beim Greißler um die Ecke erhältlich. Nicht zuletzt deshalb war Laudanum bis zum Opiatverbot Anfang des 20. Jahrhunderts in allen Gesellschaftsschichten Europas überaus populär und wurde eine Zeit lang auch als Synonym für Schmerzmittel verwendet. In Schriftsteller- und Künstlerkreisen kam es zur Belebung der Kreativität in Mode. Sogar quengelnde Kinder wurden damit bedenkenlos ruhiggestellt. 

Opiumtinktur wird aus dem getrockneten Milchsaft der unreifen Samenkapseln des Schlafmohns gewonnen. Ihre Zusammensetzung ist seit über 100 Jahren unverändert und im Europäischen Arzneibuch festgeschrieben. Das Opium wird in einer Mischung aus Alkohol (31–34 Vol%) und Wasser gelöst. Der Gehalt an den Wirkstoffen wie Morphin (1 %), Codein, Thebain, Noscapin (= Narcotin), Papaverin, Narcein und anderen ist in der Tinktur standardisiert.

„Alte, schreckliche Geliebte“
Erst im späten 19. Jahrhundert setzte ein Bewusstsein für die verheerenden Nebenwirkungen des Mittels ein. So bezeichnete der französische Dichter Charles Baudelaire (1821–1867) die Laudanum-Flasche in einem seiner Gedichte als „alte, schreckliche Geliebte“.

Wie beim historischen Laudanum wurde auch bei den synthetisch hergestellten, morphinähnlichen Schmerzstillern das enorme Suchtpotenzial lange Zeit unterschätzt. Schätzungen zufolge haben die USA seit dem Jahr 2000 durch die Opioid-Krise so viele Menschen verloren, wie für das Land im Zweiten Weltkrieg gefallen sind. Laut CDC, einer Behörde des amerikanischen Gesundheitsministeriums, sind von 1999 bis März 2021 über 840.000 Menschen an einer Drogenüberdosis verstorben – der größte Teil von ihnen war über verschriebene Schmerzmittel abhängig geworden. 

Laudanum
Die Wortherkunft ist nicht eindeutig geklärt. Viele Quellen verweisen auf lateinisch ladanum, die Bezeichnung für das Harz der Zistrose. Lateinisch laudare bedeutet wiederum „loben“. Möglicherweise hat Paracelsus bei der Namensgebung diese beiden Bedeutungen zu einem Begriff zusammengezogen.

Illustrationen: shutterstock.com/EvaMira/Vita Vadovita